Der Monte San Giorgio liegt am Fuss der Südalpen, zwischen dem Kanton Tessin (Schweiz) und der Region des Monte Pravello und Monte Orsa in der Provinz Varese (Italien). Umgeben von den zwei südlichen Armen des Luganersees erreicht der Berg seine maximale Höhe von 1097 m auf Schweizer Seite.
Der Monte San Giorgio gehört zu den weltweit wichtigsten Lagerstätten von Meeresfossilien aus der mittleren Trias (vor 247–237 Millionen Jahren). Im Gegensatz zu anderen weltbekannten Lagerstätten – die normalerweise eine einzige, einem bestimmtem geologischen Zeitraum zuweisbare fossilhaltige Schicht umfassen – weist der Monte San Giorgio mindestens fünf verschiedene Schichten auf, die jede mehr als eine Fossilienvergesellschaftung enthalten kann. Dieser einzigartige Aspekt ermöglicht die evolutionäre Studie bestimmter Organismengruppen, die über mehrere Millionen Jahre in derselben Umgebung vorkamen.
Aus den fünf fossilhaltigen Schichten des Monte San Giorgio wurden bis heute mehr als 20'000 Fossilien entnommen. Insgesamt zählt man etwa 25 Arten von Reptilien, 50 Arten Fische, mehr als 100 Arten von Wirbellosen und mehrere Pflanzenarten, hauptsächlich Nadelbäume.
Der Monte San Giorgio wurde während der Entstehung der Alpen gebildet, als sich vor 95 Millionen Jahren die damalige „afrikanische“ Platte gegen Norden zu verschieben begann und die „eurasische“ Platte zusammendrückte. Der kräftige Schub der afrikanischen Platte führte zu einer Serie von Verformungen am südlichen Rand der Kollisionszone, wo sich das Gebiet des Monte San Giorgio befand.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in Gruben und Stollen oberhalb von Besano (Provinz Varese) «Ölschiefer» der mittleren Trias wegen ihres Gehalts an brennbarem Öl abgebaut. 1830 folgte eine Studie zur Produktion von Gas für die Strassenbeleuchtung von Mailand, was aber wie einige spätere Projekte bald wieder aufgegeben wurde. 1861 erteilte auch die Tessiner Regierung die Bewilligung zum bergmännischen Abbau auf Gebiet der Gemeinden Meride und Brusino; verschiedene Abbauversuche wurden aber bald wieder eingestellt.
Die wichtigsten Fossilvorkommen finden sich im mittleren Teil der stratigrafischen Abfolge, in den marinen karbonatreichen Sedimentgesteinen (Kalke, Dolomite), die während der Trias abgelagert wurden. In dieser mehr als 600 Meter dicken Gesteinsabfolge aus der mittleren Trias, die einen Zeitabschnitt von vier Millionen Jahren abdeckt (243 bis 239 Millionen Jahre vor heute), wurden bis heute mindestens fünf besonders fossilreiche Schichten identifiziert.
Während des geologischen Zeitraums der Trias (vor 252–201 Millionen Jahren) waren die Landmassen zu einem einzigen grossen Superkontinent, der Pangaea, vereint und vom riesigen Ozean Panthalassa umgeben. Am Äquator drang ein Arm dieses Ozeans bis in die Mitte Pangaeas, das Urmeer Tethys, das die beiden gropssen Landmassen Gondwana im Süden und Laurasia im Norden trennte.
Die Lagune des Monte San Giorgio
Während der Mittleren Trias (vor 247–237 Millionen Jahren) war der Monte San Giorgio noch kein Berg wie wir ihn heute kennen. Im Gegenteil, das Gebiet lag am Grund eines flachen Meeres am westlichen Rand der Tethys. Kleine Inseln und Bänke von feinem Sand charakterisierten die Umgebung und trennten die Küste vom offenen Meer, so dass eine Art Lagune oder ein mehr oder weniger isoliertes Meeresbecken entstand.
Die Reptilien sind die spektakulärste Tiergruppe des Monte San Giorgio und zählen ungefähr 25 Arten, die zum grössten Teil im Meer lebten und unterschiedliche Anpassungen an das Leben im Wasser zeigen.
Nebst den berühmten Reptilien sind die fossilhaltigen Schichten des Monte San Giorgio auch reich an Fischen. Bis heute wurden etwa 50 Arten beschrieben. Viele Arten sind in verschiedenen Wachstumsstadien vorhanden und bei einigen Exemplaren kann sogar das Geschlecht bestimmt werden.
Die Conodonten gehören zu einer rätselhaften Gruppe von Lebewesen, die am Ende der Trias ausgestorben ist. Bis zur Entdeckung des ersten vollständigen Fossils 1983 waren von den Conodonten nur ihre mikroskopisch kleinen Mundwerkzeuge (0.1 bis 4 mm gross) bekannt.
Nebst den berühmten Reptilien und Fischen geben die fossilreichen Schichten des Monte San Giorgio auch viele Arten von marinen Wirbellosen preis, anhand derer die Umweltbedingungen der damaligen Zeit rekonstruiert werden können.
Neuste Untersuchungen des Museo Cantonale di Storia Naturale haben es ermöglicht auch die kleinsten Organismen des marinen Planktons, vor allem die Radiolarien (einzellige Protozoen mit wenigen Zehnteln Durchmesser ihrer Silikatschale), zu untersuchen.
Im Jahr 1998 entdeckten Forscher der Universität Mailand zum ersten Mal ein fossiles Insekt, das zur Gruppe der Eintagsfliegen (Ephemeroptera) gehört. Tintorina, so der wissenschaftliche Name dieser Gattung, ist besser bekannt als 'Mücke' des Monte San Giorgio.
In den marinen Ablagerungen des Monte San Giorgio wurden auch Reste von Landpflanzen (Äste, Blätter, Zapfen) gefunden. Sie belegen nicht allzu weit entferntes Festland oder Inseln.