Das Leben hinter den Klostermauern erzählt von der ehemaligen Priorin Sr. Domenica Dethomas.
Das Leben im Kloster ist ein Leben in Gemeinschaft unter „Regel und Abt“ in einem ausgewogenen Wechsel von Gebet, Arbeit und geistlicher Lesung. Seit seiner Gründung im 8. Jahrhundert war das Kloster St. Johann in Müstair stets bewohnt. Der benediktinische Geist ist klar spürbar. Der Hl. Benedikt legte mit seiner Regel den Grundstein für eine Ordensgemeinschaft, in der sich die Brüder und Schwestern in Respekt und Demut begegnen, sich gegenseitig inspirieren und stützen, für das Wohl der Gemeinschaft sorgen und im Miteinander wie auch auf individuellem Weg Gott suchen und ihm entgegen gehen.
Wenn Sie die Nonnen von Müstair nach dem Beweggrund für ihre Entscheidung ins Kloster einzutreten fragen, dann wird Ihnen jede eine andere Geschichte erzählen. Allen gemeinsam ist aber der Wunsch, Gott näher zu kommen. Der Weg ins Kloster ist aber nicht einfach mit einem Schritt getan, es ist vielmehr ein Hineinwachsen, ein stetes Lernen. Benedikt vergleicht das Kloster mit einer „Schule für den Dienst des Herrn“ (RB, Prolog,45). Er selbst sagt, dass der Weg am Anfang nicht anders sein kann als eng. „Wer aber im klösterlichen Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes.“ (RB, Prolog, 49)
Heute sind es neun Frauen, die die benediktinische Spiritualität im Kloster St. Johann in Müstair täglich leben. Seit Oktober 2019 steht Sr. Aloisia Steiner der Klostergemeinschaft vor. Ihre offene und ausgewogene Art zu führen strahlt auch über die Klostermauern hinaus.
Zwischen der Vigil, dem Morgenlob, um 5.30 Uhr und der Komplet, dem Nachtgebet, um 19.30 Uhr liegen 14 Stunden klar strukturierter Klosteralltag: Beten, Psalmen und Hymnen zum Lob Gottes singen, Arbeiten, Meditieren, Lesen, Essen, Schweigen: Tag für Tag, Jahr für Jahr, Jahrzehnte, Jahrhunderte lang. Der Tagesablauf der Benediktinerinnen von Müstair ist heute im Grunde derselbe wie vor 1500 Jahren, als der Hl. Benedikt seine Regel aufschrieb. Im Zentrum steht der Glaube, die Gottsuche und –anbetung. Dabei hilft der geregelte Alltagsablauf, denn er bringt Ruhe in den Tag.
Wer aber glaubt, dass die Zeit im Kloster still steht und das moderne Leben vor den Klostermauern Halt macht, der hat sich geirrt. Computer und E-Mails haben Einzug gefunden in die über 1200 Jahre alten Mauern. Termine und Sitzungen, Besprechungen und weltliche Aufgaben gehören ebenso zum Alltag der Nonnen wie ihr Stundengebet.
Auf den ersten Blick scheint die enge Vernetzung des Klosters mit nichtreligiösen Institutionen den geruhsamen Tagesrhythmus der Klosterfrauen zu gefährden. Aber die Spiritualität Benedikts ist nicht einfach nur eine abgehobene Geistesübung – nein, sie ist eng mit dem klösterlichen Alltag verbunden und findet somit auch in unserer heutigen multimedialen, globalen, beschleunigten Welt ihren Platz.